In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) basiert die Diagnostik auf vier sich ergänzenden Methoden: Beobachten (望 Wàng), Hören & Riechen (闻 Wén), Befragen (问 Wèn) und Tasten / Pulsdiagnose (切 Qiè). Sie ergeben zusammen ein ganzheitliches Bild von Körper, Geist und Energiehaushalt.
1. Beobachten · 望 (Wàng)
Der Therapeut achtet auf Erscheinung, Haltung, Stimme und Bewegungen des Patienten. Besonders wichtig ist die Zungendiagnose – Form, Farbe und Belag der Zunge spiegeln innere Zustände und Organfunktionen wider.
- Form: schlank / geschwollen, Risse, Zahnabdrücke
- Farbe: blass · rosig · rot · dunkel
- Belag: dünn / dick · weiß / gelb · trocken / feucht · fehlend
- Bereiche: Spitze (Herz / Lunge) · Mitte (Milz / Magen) · Seiten (Leber / Gallenblase) · Wurzel (Niere / Harnblase)
2. Hören & Riechen · 闻 (Wén)
Stimme, Atmung, Husten, Sprechweise und Körpergeruch liefern Hinweise auf Fülle oder Leere, Kälte oder Hitze, innere oder äußere Störungen.
- Stimme / Atmung: kräftig = Fülle · leise = Leere
- Husten / Schleim: klar-dünn = Kälte · gelb-zäh = Hitze
- Geruch: süßlich, säuerlich, ranzig – Hinweis auf beteiligtes Organ
3. Befragen · 问 (Wèn)
Durch gezielte Fragen werden Verlauf und Zusammenhänge der Beschwerden erfasst. Dabei interessieren sowohl körperliche als auch seelische Faktoren.
- Beginn, Dauer, Häufigkeit, auslösende Faktoren (Stress, Klima, Ernährung)
- Schmerzcharakter: dumpf / ziehend / stechend · besser / schlechter durch Wärme oder Kälte
- Appetit, Durst, Verdauung, Schlaf, Energie im Tagesverlauf
- Urin, Stuhl, Schweiß, Temperaturgefühl (Kälte-/ Wärmeempfindlichkeit)
- Frauenheilkunde: Zyklus, Blutmenge, Schmerzen, Schwangerschaft
4. Tasten / Pulsdiagnose · 切 (Qiè)
Neben der Untersuchung empfindlicher oder verspannter Bereiche spielt die Pulsdiagnose eine zentrale Rolle. An beiden Handgelenken werden je drei Positionen in drei Tiefen getastet. Der Therapeut beurteilt:
- Frequenz: langsam = Kälte · schnell = Hitze
- Kraft & Qualität: kräftig, gespannt, schlüpfrig, rau, leer …
- Tiefe: oberflächlich = Außen · tief = Innen
Gesamteinschätzung und Therapieziel
Erst das Zusammenführen aller vier Diagnosemethoden ergibt das vollständige Muster (Syndrombild). Daraus leitet sich die individuelle Therapie ab – z. B. Akupunktur, Moxibustion, Tuina, Kräuter oder Ernährungsanpassung – mit dem Ziel, Yin und Yang auszugleichen und den freien Qi-Fluss wiederherzustellen.